Achensee

Ludwig Rainers neue Heimat

Ludwig Rainer (1821 – 1893) war ein unehelicher Sohn Maria Rainers aus Fügen. Während seine Mutter auf Sängerreise war, wurde der kleine Ludwig bei einer Frau in Zell in Pflege gegeben. Doch die Liebe zur Musik und auch die Geschäftstüchtigkeit scheint dem Spross aus der Familie der Ur-Rainer in die Wiege gelegt worden zu sein. Im Jahr 1838 gründete er das Rainer-Quartett und legte damit den Grundstein für die zweite Generation der Rainersänger: Mit nur 18 Jahren brach er gemeinsam mit Helene Rainer, Simon Holaus und Margareta Sprenger (Ludwig Rainers spätere Ehefrau) vom Zillertal nach Amerika auf: 28 Tage und zehn Stürme soll die Überfahrt nach New York gedauert haben. Es folgte eine mehrjährige „Tournee“ als viel beachtete „Rainer Family“, die sie nach New Orleans, St. Louis, Pittsburg und Philadelphia führte.

Die „Rainer-Family“ in den USA

Neueren Forschungen zufolge soll die „Rainer Family“ um Ludwig Rainer im Auftrag eines amerikanischen Geschäftsmannes, dessen Herkunft nicht gesichert ist, förmlich „gecastet“ worden sein. Die Sänger aus dem Zillertal feierten enorme Erfolge und wurden Vorbild für die Entwicklung der Minstrel Show, eine Art musikalisches Kabarett, und des vierstimmigen a cappella Barbershop-Gesanges. Auch trugen die Rainers wesentlich zur Popularisierung des Jodelns in der amerikanischen Unterhaltungsmusik bei. Heute gelten sie als so etwas wie die Erfinder des bis heute beliebten und erfolgreichen volkstümlichen Schlagers, indem sie musikalische mit kommerziellen Interessen geschickt verbanden. Im Mai 1843 kehrten sie aus Amerika in die Heimat zurück.

Zehn Jahre in Russland

Ermutigt von den Erfolgen in den USA, gründete Ludwig Rainer 1851 die „Rainer Gesellschaft“ mit bis zu 15 Sängern, die an nahezu allen Herrscherhäusern Europas auftraten. Ihre Reisen führten nach England, Schottland und Irland, nach Italien, Frankreich, Dänemark, Schweden und Norwegen. 1858 kamen sie in Russland an und blieben dort zehn Jahre lang: Die fünf Heimataufenthalte wurden lediglich genutzt, um neue Mitglieder zu werben. 1865 feierte Ludwig Rainer sogar Hochzeit in St. Petersburg – mit einem Mädchen aus dem Zillertal. „Stille Nacht! Heilige Nacht!“ war immer Teil des Repertoires der Rainer-Sänger.

Neue Heimat am Achensee

Als Ludwig Rainer 1868 als wohlhabender und weitgereister Mann nach Tirol zurückkehrte, war er 47 Jahre alt. Mit einem Gutteil seines erworbenen Vermögens ließ er das Hotel Seehof in Achenkirch am Achensee errichten, das 1870 eröffnet wurde. Das elegante und noble Haus zog – mit allem Komfort ausgestattet – Gäste aus aller Welt an und war auch Ludwig Rainers neue Heimat. Nicht zuletzt durch die werbewirksamen Auftritte der Nationalsänger erlebte der Tourismus in den Tiroler Tälern einen gewaltigen Aufschwung.

Am 15. Mai 1893 verstarb Ludwig Rainer überraschend auf der Heimreise von München in Bad Kreuth bei Tegernsee im Alter von fast 72 Jahren. Das Hotel wechselte im Laufe der folgenden Jahrzehnte mehrmals seine Besitzer und wurde nach der Jahrtausendwende infolge eines Großbrandes abgetragen.

Auf den Spuren von „Stille Nacht! Heilige Nacht!“ in der Region Achensee:

  • Bei der Spurensuche am Achensee hilft das Heimatmuseum Sixenhof mit interessanten Einblicken in die Geschichte der fabelhaften Rainer-Sänger und deren Bezug zum Stille-Nacht-Lied. Die beiden ausgebildeten Museumspädagogen Franz Lückemeyer und Franz Waldhart stehen für Fragen und Führungen zur Verfügung. Im Sixenhof ist die Kleidertruhe Ludwig Rainers, die er auf seinen Weltreisen benutzte, zu sehen.
  • Nahe der Schiffsanlegestelle beim ehemaligen Achenseehof in Achenkirch steht noch heute die Seehofkapelle, die vom Nationalsänger Ludwig Rainer erbaut wurde. Der Innenraum der Kapelle, die sich in Privatbesitz befindet, ist im neugotischen Stil gestaltet.
  • Eingebettet zwischen dem Karwendel- und dem Rofangebirge liegt der Achensee. Der größte See des Landes Tirol hat im Sommer Badetemperaturen und bietet im Winter die Möglichkeit zur Seeweihnacht mit der „Achensee-Schiffahrt“ und eine stimmungsvolle Kulisse für ausgedehnte Winterspaziergänge. Solch eine unkomplizierte wintertaugliche Dorfrunde mit Seekontakt beginnt vor der Pfarrkirche im Ort Achenkirch. Auf dem Friedhof befindet sich das Grab Ludwig Rainers (1821–1893). Der Weg führt zum gut sichtbaren barocken Annakircherl hinauf, dort geht es links vorbei, dann folgt man der gelben Wegschildmarkierung „Zum See“. Die Route verläuft auf der oberen Straße durch die Fichtersiedlung, folgt dem Karwendelweg und trifft auf den Parkplatz der Hochalmlifte Christlum. Von dort geht es zum rechts oberhalb liegenden Hotel „Das Kronthaler“ und anschließend wieder abwärts am Appartement Waldhaus vorbei zum Schrambacherhof. Über Wiesenwege erreicht man das Nordufer. Zurück geht es über den Panoramaweg.
  • Ludwig Rainer fand seine letzte Ruhestätte am Friedhof in Achenkirch. Auf seinem Grabstein liest man den Spruch: „Ausgelitten, ausgerungen, viel gereist und viel gesungen.“

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